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Der wirtschaftliche Jahresrückblick

2021 liegen Rekordfrust und Rekordjubel dicht beieinander. Lieferengpässe sorgen für lange Wartezeiten, der Dax hangelt sich von Höchstmarke zu Höchstmarke und der Preisauftrieb lässt die Inflationsrate ansteigen. Wirtschaftsjournalistin Pauline Schinkels schaut auf das Wirtschaftsjahr 2021 zurück.

Auch das vergangene Jahr stand unter dem Zeichen der Pandemie: Es beginnt mit einem schleppenden Impfstart und verlängerten Lockdown, bis in den Mai hinein. Erst im Sommer wird die Homeoffice-Pflicht ausgesetzt und Handel und Gastronomie öffnen wieder. Aber was ist abseits von Corona noch in diesem Jahr passiert? Welche Gesichter, welche Geschichten haben die Wirtschaft geprägt?

Weniger Wachstum, steigende CO₂-Abgabe

Das Jahr beginnt und die Corona-Mehrwertsteuersenkung fällt. Mit dem ermäßigten Steuersatz hatte die Bundesregierung im Vorjahr den Konsum anschrauben wollen. 2022 gelten wieder die regulären Sätze von 19 und 7 Prozent. Außerdem startet der Emissionshandel im Bereich Verkehr und Wärme. Mit der CO₂-Bepreisung werden in diesem Jahr Heizen und Tanken teurer, was viele Verbraucher:innen noch zu spüren bekommen werden. Zum Jahreswechsel wird nach langen Debatten ein Kernanliegen der Sozialdemokraten umgesetzt – die Grundrente tritt in Kraft. Den Zuschlag soll ab der Jahresmitte bekommen, wer mindestens 33 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat. In Deutschland betrifft das rund 1,3 Millionen Menschen.

Unterdessen senken zum Jahresanfang viele Konjunkturforscher:innen ihre Wachstumsprognosen. Die Börse zeigt sich davon unbeeindruckt: Trotz der nächsten Corona-Welle knackt der Dax die Rekordmarke von 14.000 Punkten. Die Rallye an den Kapitalmärkten wird sich noch durch das ganze Jahr ziehen. Zwischenzeitlich klettert der deutsche Leitindex sogar auf über 16.000 Punkte. Außerdem bekommt der Dax Zuwachs: Statt der 30 listet der Börsenindex ab Herbst 40 Unternehmen. Ein prominenter Neuzugang ist der deutsch-französische Flugzeughersteller Airbus.

Maskenpflicht und Maskenaffäre

Mit dem Jahreswechsel wird auch die Pandemiebekämpfung verschärft: Die Stoffmaske geht und die medizinische Maske kommt. Im März können die Bundesbürger:innen die ersten Corona-Selbsttests kaufen. Die sind anfangs in vielen Discountern schnell vergriffen. Nicht nur die Tests, auch die Impfstoffe sind rar. Erst als im April die Hausärzte die Impfstoffe mit verspritzen dürfen, steigt die Zahl der Geimpften an. Trotzdem bleiben viele Arbeitnehmer:innen erst einmal zu Hause. Bis in den Sommer hinein gilt: Homeoffice ist Pflicht.

Deutschland lässt Haare: In der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März schieben viele Friseur:innen eine Spätschicht ein. Ab 0.01 Uhr machen nach zweieinhalb Monaten die ersten Friseurläden wieder auf. Während die einen Geschäfte öffnen, werden andere geschlossen: Im März macht die Bafin die in Bremen ansässige Greensill Bank dicht. Das Institut hatte trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase mit außergewöhnlich hoch verzinsten Tages- und Festgeldangeboten gelockt. Etliche deutsche Kommunen, wie die Stadt Monheim, hatten bei der Bank Ersparnisse in Millionenhöhe angelegt. Neuer Bafin-Präsident wird der Chef der Schweizer Finanzaufsicht Mark Branson. Sein Vorgänger Felix Hufeld musste aufgrund des Finanzskandals um den Zahlungsdienstleister Wirecard zurücktreten. Ihm folgt 2021 auch der EY-Deutschlandchef Hubert Barth.

Die Kritik an den Wirtschaftsprüfer:innen von Wirecard wird im Laufe des Jahres immer lauter: Insbesondere nach dem Wirtschaftsjournalist:innen einen als geheim eingestuften Prüfbericht zur Arbeit von EY veröffentlichen. Endgültig aufgeklärt ist der Skandal noch immer nicht. Auch nach dem der Wirecard-Ausschuss im Juni einen rund 2.000 Seiten langen Abschlussbericht vorlegt, bleiben viele Fragen weiter offen. Die Skandale machen 2021 auch vor der Politik keinen Halt: Mehrere Abgeordnete von CDU und CSU sollen an der Vermittlung von Geschäften mit Schutzmasken mitverdient haben. Teils sollen seit Beginn der Pandemie Provisionen in Millionenhöhe geflossen sein. Als Reaktion auf die Korruptionsaffäre kommt es im Frühjahr zu Parteiaus- und Rücktritten.

Blockierter Kanal und gekippte Gesetze

Nachdem hiesige Unternehmen hofften, dass sich mit dem Amtsantritt des US-Demokraten Joe Biden der internationale Handel wieder öffne, sieht man sich Ende März prompt an ganz anderer Stelle gehemmt: Der Frachter „Ever Given“ blockiert für sechs Tage den Suezkanal. Hunderte Schiffe stauen sich in beide Fahrtrichtungen. Nicht viel besser ist die Stimmung bei den Berliner Mietern: Das Bundesverfassungsgericht kippt den Berliner Mietendeckel. Es wird nicht das einzige wegweisende Urteil in diesem Jahr sein: Das Bundesverfassungsgericht urteilt, dass das Klimaschutzgesetz von 2019 zu kurz greift. Geklagt hatte unter anderem die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer. Außerdem kippt der Bundesfinanzhof die Berechnungsgrundlage für die Besteuerung von Renten – eine Aufgabe für die kommende Bundesregierung. Die Folge: Millionen künftiger Senior:innen müssen möglicherweise weniger Steuern zahlen als bislang angenommen.

Was sich bereits im Portemonnaie einiger Bundesbürger:innen bemerkbar macht: Die Inflationsrate steigt und steigt. Grund dafür sind unter anderem die hohen Preise für Energie, Rohstoffe und zahlreiche Vorprodukte. Die EZB hält trotz der steigenden Inflation und der Konjunkturerholung an ihrer Nullzinspolitik fest. In Deutschland tritt derweil nach zehn Jahren der prominenteste EZB-Kritiker, Bundesbankpräsident Jens Weidmann, vorzeitig zurück. Auch auf internationaler Ebene tut sich 2021 einiges in Sachen Wirtschaftspolitik: Im englischen Cornwall einigen sich die Staats- und Regierungschefs der G7 auf eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für Unternehmen. Dadurch soll verhindert werden, dass weltweit tätige Konzerne ihre Aktivitäten in Steueroasen verlegen.

Halbleitermangel und Sonnenmangel

2021 ist aber nicht nur von Börsenrallyes und einem Auf und Ab der Kryptowährungen geprägt, sondern auch von Lieferengpässen. Wer Handwerker:innen sucht oder selbst umbauen möchte, muss mit langen Wartezeiten rechnen. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Expert:innen rechnen damit, dass der Halbleitermangel bis in das Jahr 2022 hineinreichen wird. Das trifft vor allem die Automobilbranche. Manch einem vermiest es derweil das Geschäft aus anderen Gründen: Nach Regen, Hagel und Frost ziehen die deutschen Bauern eine ernüchternde Erntebilanz. Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause verabschieden die Bundestagsabgeordneten noch das neue Lieferkettengesetz, eine entsprechende Regelung auf EU-Ebene soll folgen.

Mitte Juli trifft Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine verheerende Flutkatastrophe. Etliche Menschen sterben. Viele möchten den Betroffenen helfen – die Spendenbereitschaft ist riesig. Bereits Ende Juli liegt die Rekordsumme bei 149 Millionen Euro. Derweil begleitet der Bundestagswahlkampf die Politiker:innen, die die Krisenregionen besuchen.

Politische Orientierungssuche in Pandemiezeiten

Im September gewinnen die Sozial- knapp vor den Christdemokraten. Anschließend finden sich FDP, SPD und Grüne zu Koalitionsverhandlungen zusammen. Die neue Ampel-Koalition dürfte auch Folgen für die wirtschaftspolitische Ausrichtung der Bundesrepublik haben. Unter anderem sieht der neue Koalitionsvertrag einen gewaltigen Umbau der Energiewirtschaft vor. Demnach wird der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen. Bis dahin soll der Strombedarf zu 80 Prozent aus Solar-, Wind- und Wasserkraft gedeckt werden. Der Schutz am Arbeitsplatz bleibt derweil Thema: Insbesondere seit dem die Coronazahlen in der zweiten Jahreshälfte hoch und höher schnellen. Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz gilt hier 3 G – und wieder Homeoffice-Pflicht.

Trotz der anhaltenden Corona-Pandemie finden sich zum Jahresende aber auch positive Nachrichten: Nach der Flut startet der Zugverkehr im Ahrtal wieder – zumindest in Teilen, ein erster Abschnitt ist inzwischen fertiggestellt. Für das kommende Jahr erwarten Volkswirte des Mannheimer Forschungsinstituts ZEW einen Konjunkturaufschwung. In eine ähnliche Richtung geht auch die Einschätzung des früheren Wirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU): Demnach könnte das Plus beim Bruttoinlandsprodukt 2022 mit 4,1 Prozent deutlich höher ausfallen als mit 3,6 Prozent zunächst angenommen.

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