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Wirtschaft verständlich und praxisnah digital unterrichten

Als Referentin zum Thema Unterricht mit digitalen Medien inspiriert Saskia Ebel Lehrkräfte unterschiedlicher Schularten bundesweit. Ihre Kernfächer sind Betriebswirtschaft und Informatik, die sie an der beruflichen Walter-Eucken-Schule Karlsruhe seit einigen Jahren erfolgreich mit Tablets unterrichtet. Für die Beauftragte für Digitalisierung ihrer Schule und Projektleiterin des Digitalkongresses WES 4.0 ist digitale Bildung in der heutigen Zeit unabdingbar. Im Interview zeigt sie auf, welche Zugänge zu Wirtschaftsthemen sie im Unterricht über digitale Tools findet.

Zur Orientierung für Lehrkräfte, die digital unterrichten, hat die Kultusministerkonferenz die „Kompetenzen in der digitalen Welt“ veröffentlicht. Auch das sogenannte 4K-Modell – gemäß der Kompetenzen Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken – kann Lehrkräfte dabei unterstützen. Frau Ebel, Sie haben begonnen, diese Kompetenzrahmen strukturiert in ihren Unterricht zu integrieren. Wieso sehen Sie das als essentiell an?
Saskia Ebel: Die Schule sollte in den Blick nehmen, dass digitale Medien in der Gesellschaft fest verankert sind. Im beruflichen und teilweise auch im allgemeinbildenden Schulwesen gehört es zum Auftrag, die Lernenden auf ihre zukünftige Berufswelt vorzubereiten. Immer mehr Arbeiten werden von Maschinen übernommen. Und neue Arbeitsfelder verlangen mehr komplexes Denken und selbstverantwortliche Entscheidungen. Teilweise sind diese Tätigkeiten so komplex, dass sie nur im Kollektiv bearbeitet werden können. In Unternehmen ist deshalb schon sehr lange angekommen, dass die 4 Ks Voraussetzungen wirksamen Lernens sind, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innehaben sollten.
Hierfür muss sich jeder über Konsequenzen, aber auch über die neuen Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben, bewusst sein und auch in dieser „Welt“ (rechts-)sicher handeln können.
Die KMK-Kompetenzbereiche sind Anhaltspunkte, die eine Lehrkraft nutzen kann, um den Unterricht umzustellen. Das 4K-Modell stellt lediglich ein Werkzeug für Lehrkräfte dar, damit sie die Lernenden fit für die Zukunft machen können.

Hat sich durch den digitalen Unterricht Ihre Lehrerrolle oder auch das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern verändert?
Absolut. Der Unterricht ist sehr offen gestaltet und die Schülerinnen und Schüler haben zu jeder Zeit die Möglichkeit, in unserem Loungebereich zu arbeiten. Ich bin als Lehrkraft ihr Lernbegleiter, Coach oder auch Mentor, der sich gerne zu ihnen an die Gruppentische setzt, anstatt am Lehrerpult zu referieren. Sie werden zu viel Kreativität und selbstgesteuertem Lernen erzogen. Es ist schön zu sehen, wie sie gemeinsam Aufgaben und Probleme lösen und so zu ihren eigenen „Lehrern“ werden. Durch diese Veränderungen entsteht eine größere Bindung zu den einzelnen Schülerinnen und Schülern, die sie motiviert und gerne in die Schule kommen lässt.

Gibt es notwendige Voraussetzungen, die an Schulen gegeben sein müssen, damit digital unterrichtet werden kann?
Da gibt es leider viele. Und dennoch ist alles in irgendeiner Weise umsetzbar. Gerade bei der Finanzierung von Hard- und Software muss man kreativ und flexibel sein. Geräte müssen aber natürlich vorhanden sein. Unerlässlich ist eine gute WLAN-Verbindung an der Schule. Digitale Inhalte und deren Verteilung können über ein zentrales Lernmanagementsystem verwaltet werden, welches gleichzeitig individuelle Logins sowie die Kommunikation untereinander ermöglicht. Dies ist aber keine Voraussetzung für digitalen Unterricht, Inhalte können auch über eine Cloud ausgespielt werden. Viele Anwendungen wiederum sind direkt im Unterricht einsetzbar und müssen nicht an ein Lernmanagementsystem gekoppelt werden. Zudem sollte im Klassenverbund eine angenehme Atmosphäre geschaffen werden, damit man offen mit Schwierigkeiten sowohl bei Lehrkräften als auch bei Lernenden umgehen kann. Wir alle lernen jeden Tag dazu. Eine weitere Voraussetzung ist die Fort- bzw. Weiterbildung der Lehrkräfte, damit diese auch befähigt werden mit den Geräten zu arbeiten. Hierzu haben wir die Tagung „WES4.0-Mobiles Lehren und Lernen mit dem Tablet“ an unserer Schule ins Leben gerufen. Durch solche Formate wird man motiviert, mitgerissen und kann seinen digitalen Unterricht mit frischen Ideen wachsen lassen. Der wichtigste Gedanke ist aber: Kein Meister ist vom Himmel gefallen. Jeder kann sich Schritt für Schritt in dieses Gebiet einarbeiten und jeden Tag weiter daran wachsen.

Im Wirtschaftsunterricht sind Themen, wie die Umsatz- oder auch Lohn- bzw. Einkommensteuer, oft nicht leicht verständlich oder „trocken“ für die Lernenden. Könnten Sie verschiedene Beispiele aufführen, wie dort digitaler Unterricht helfen kann?
Da gibt es unzählige Beispiele, die sich allerdings in ihrer Ausprägung unterscheiden.
Aktuelle Steuersätze oder auch Steuerrechner zur Kontrolle findet man im Internet. Artikel über Steuer-Themen können so auch schnell und einfach verteilt werden. Grundlage dafür ist eine Recherche.
Daneben bieten verschiedene Anwendungen die Möglichkeit, ein komplexes Thema besser zu veranschaulichen und die Rechenwege darzustellen. So kann ein Tabellenkalkulationsprogramm verwendet werden, damit die Schülerinnen und Schüler sich eine Vorlage zur Berechnung der Verkaufspreise oder des Nettoeinkommens erstellen. Auch eine geeignete App mit den relevanten Gesetzes-Paragrafen kann sehr hilfreich sein. Hier sollte darauf geachtet werden, dass sie eine Kommentar- bzw. Markierungsfunktion beinhaltet, damit die Lernenden die bereits besprochenen Paragrafen markieren können. Was tun Schülerinnen und Schüler heutzutage, wenn sie ein Thema nicht verstehen? Sie „googeln“ nicht, wie wir das vielleicht tun würden. Sie suchen auf YouTube nach einem Video. Diese Lernstrategie kann sich eine Lehrkraft zu Nutze machen, indem sie geeignete Erklärfilme sucht oder sie selbst erstellt. So können sich die Schülerinnen und Schüler zu Hause auf das Unterrichtsthema vorbereiten oder sich im Nachgang bei Problemen selbst helfen – diese Methode nennt man FlippedClassroom. Auch die eigene Erstellung eines solchen Videos durch Schülerinnen und Schüler kann eine hilfreiche Grundlage und oft schon eine geeignete Vorbereitung auf die Klassenarbeit sein.
Nach der Einführung bspw. der Umsatzsteuer, kann die Lehrkraft geeignete Vertiefungsaufgaben mit kleinen interaktiven und multimedialen Bausteinen erstellen – dafür bietet sich die Plattform Learningapps.org an. Auch für Planspiele im Wirtschaftsunterricht gibt es digitale Varianten, die erhebliche Vorteile mit sich bringen. Spielerische Elemente im Unterricht sind nicht neu, aber sie bieten durch die Benutzung der digitalen Endgeräte oftmals ein höheres Motivationspotential.
Ein web-basiertes Training wiederum stellt eine besondere Form des E-Learnings dar und ermöglicht den Lernenden eine räumliche, zeitliche und inhaltliche Flexibilisierung ihrer Lernprozesse. Es können dabei unterschiedliche Zugänge über Text, Video, Audio oder Bild gewählt und sehr anschaulich dargestellt werden. Informationen können wiederum gut mit Übungen kombiniert werden, die Schülerinnen und Schüler erhalten dabei direkt Feedback und können das Training im eigenen Tempo absolvieren. Im Schulkontext können offene Fragen im Unterricht aufgegriffen werden. Dies zeigt auch das Material des Monats zum Thema Steuern sehr anschaulich.

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