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Sparen will gelernt sein

Immer mehr junge Menschen erliegen den Verlockungen der Konsumwelt – sie erfüllen sich ihre Wünsche und tappen dabei häufig sogar in die Schuldenfalle. Doch warum fällt der Generation Z der Umgang mit dem Geld so schwer und wie kann es gelingen, dass sie nicht nur Geld ausgeben, sondern auch sparen? Diesen Fragen geht Wirtschaftsjournalist Andreas Schulte in Anknüpfung an das Material des Monats nach.

Für Dorothee Bünner ist dieser Anblick nichts Ungewöhnliches: Schaut sie die Handy-Rechnungen von jungen Erwachsenen durch, stößt die Schuldnerberaterin häufig auf viele unterschiedliche Posten: „Vielen ist nicht klar, dass sie beim Abschließen eines Vertrags einmal für das Handy selbst und dann noch für den Tarif zahlen. Wer das Kleingedruckte nicht aufmerksam liest, riskiert weitere Kosten, wie zum Beispiel eine Bereitstellungsgebühr”, erklärt sie. So mancher Handy-Junkie beschafft sich dann mit dem neuen Smartphone auch einen neuen Vertrag, obwohl der alte noch nicht abgelaufen ist. „Da tappen gerade junge Erwachsene schnell in eine Kostenfalle”, sagt die Berlinerin. Die Folge: monatliche Zahlungsverpflichtungen von mehreren hundert Euro.

Der Smartphone-Fall steht für ein zunehmendes Problem: Zwar ist die Zahl der überschuldeten Menschen in Deutschland laut den jüngsten Erhebungen des Statistischen Bundesamtes insgesamt rückläufig. Doch in der Bevölkerungsgruppe der Unter-20-Jährigen ist das Risiko gestiegen: Die Schuldnerberatungen in Deutschland haben im vergangenen Jahr verglichen mit 2015 rund 41 Prozent mehr junge Menschen als überschuldet erfasst. „Sie sind gefährdeter als ältere”, beobachtete auch Beraterin Bünner in ihrer täglichen Praxis.

Verführung schlägt Vernunft

Es sind neben steigenden Energiepreisen und Mieten vor allem die digitalen Möglichkeiten, die für junge Menschen die Kosten in die Höhe treiben. Wer über das Internet einkauft, kann das Gefühl für den Gegenwert der Ware verlieren. „Wo früher noch eine Bank im Spiel war, können junge Leute heute per Mausklick eine Finanzierung bekommen”, beschreibt Bünner die Einfachheit der neuen Möglichkeiten. Daher empfiehlt sie, Handyverträge und Angebote über Ratenzahlungen genau zu lesen. Zudem sollten junge Menschen einen Haushaltsplan aufstellen, der Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellt. Das geht längst auch per App. Statt auf einen kostspieligen Konsumentenkredit zu setzen, sollte lieber gespart werden.

Doch Sparen und Geldanlegen ist nicht mehr so einfach wie früher, weiß Ralf Scherfling, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Noch vor einigen Jahren war das gute alte Sparbuch oder das Festgeldkonto die Anlagemöglichkeit Nummer eins für viele Jugendliche und junge Erwachsene. Beide brachten Zinsen. Die jungen Anleger:innen sahen, wie sich ihr Geld vermehrte und erkannten den Sinn des Sparens. „In der aktuellen Niedrigzinsphase lohnen sich Sparbuch und Festgeldkonto aber nicht mehr”, sagt Scherfling. „Viele Schüler haben daher heute kaum Berührungspunkte mit dem Sparen oder mit einer Geldanlage.”

Die Forschungseinrichtung Deutsches Jugendinstitut empfiehlt Eltern daher, ihren Kindern im Teenager-Alter zum Taschengeld ein zusätzliches Budget zu zahlen. Dies können die Eltern verwalten oder es auf ein Girokonto einzahlen. Damit soll der Nachwuchs dann zusätzliche festgelegte Ausgaben etwa für Essen oder Kleidung bezahlen. Mit dem höheren finanziellen Spielraum lernen die Teenager Grundlagen für das Sparen und ein selbstständiges Haushalten. Zusätzlich sollten Eltern mit ihren Kindern Sparziele festlegen. Mit einem materiellen Anreiz vor Augen fällt das Sparen oft leichter. Das frühe Training soll Teenager auf eine Lebensphase vorbereiten, in der die eigenen Geldbeträge wachsen.

Zum Beispiel dann, wenn junge Menschen als Auszubildende ihr erstes regelmäßiges Einkommen erhalten. Auch ohne Zinsen kann in dieser Lebensphase ein Tagegeldkonto sinnvoll sein. Der Spareffekt ist eher das Ergebnis eines einfachen psychologischen Kniffes. Denn wer auf das Tagegeldkonto jeden Monat einen bestimmten Betrag per Dauerauftrag überweist, gibt dieses Geld längst nicht so leichtfertig aus wie das vom Girokonto, haben die Verbraucherzentralen beobachtet.

Grundregel: Erst Schulden tilgen, dann Geld anlegen

Erste kleine Reichtümer lassen sich auch durch sogenannte vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers anhäufen. Das Prinzip ist einfach: Statt eines Plus beim Gehalt hilft der Arbeitgeber beim Sparen. Wenn sich also ein Beschäftigter verpflichtet, regelmäßig einen Teil seines Lohns in einen Sparplan einzuzahlen, dann legt der Chef noch ein Sümmchen obendrauf. Wie viel das ist, hängt ganz von der Branche und dem Betrieb ab.

Eine andere Möglichkeit, die oft spärliche gesetzliche Altersvorsorge durch eine private zu ergänzen, ist ein Immobilien-Sparplan. Denn je eher junge Menschen mit dem Sparen für die eigenen vier Wände beginnen, desto früher wohnen sie im Alter mietfrei. Dabei reicht es anfangs schon, regelmäßig einen kleinen Betrag einzuzahlen, der sich über die Jahre steigern kann.

Grundsätzlich gilt indes: Erst eigene Schulden begleichen, dann Geld anlegen. Denn Kredite verschlingen in der Regel mehr als die Zinsen oder Zulagen des eigenen Ersparten einbringen. Vorausschauend handelt, wer darüber hinaus eine Rücklage anspart. Damit können unerwartete Ausgaben gestemmt werden - etwa eine Reparatur am ersten eigenen Auto. Der Vorteil: Junge Menschen vermeiden so eine Überziehung des Girokontos. Denn dies lassen sich Banken meist gut bezahlen.

Dass auch Volljährige mit Geld noch mitunter unbedarft umgehen, zeigt eine Studie des Finanzdienstleisters Union Investment unter 2.000 jungen Erwachsenen. Zwar hat das Thema Finanzen für 18- bis 29-Jährige einen sehr hohen Stellenwert: 90 Prozent von ihnen betrachten es sogar als wichtig oder sehr wichtig, um gut auf das Leben vorbereitet zu sein. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine große Lücke.

Nur 58 Prozent der Befragten beschäftigten sich manchmal oder häufig mit Finanzthemen. Die Schüler:innen unter ihnen sind sogar wahre Geldmuffel. 58 Prozent machen sich selten oder fast nie Gedanken um den Umgang mit Geld. Wenn Schüler:innen ihr Wissen über Geld benoten müssten, würde sich ein Drittel ein Mangelhaft oder Ungenügend geben. Den Hauptgrund für die Ahnungslosigkeit liefert die Studie gleich mit: 42 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden sind Finanzthemen ganz einfach zu kompliziert.

Immer an das eigene Geld rankommen

Die Herausforderung: Jugendliche und junge Erwachsene müssen nicht nur die Grundlagen von Einnahmen, Ausgaben und Anlagemöglichkeiten verinnerlichen, sie müssen zudem eine individuelle Strategie der Geldanlage entwickeln. „Den einen Königsweg für alle gibt es nicht”, sagt Scherfling. Er verweist auf das sogenannte „Magische Dreieck der Geldanlage” bestehend aus höchstmöglichem Ertrag, höchstmöglicher Sicherheit und schnellstmöglicher Verfügbarkeit. Diese drei Sparziele sind voneinander abhängig. Keines lässt sich erzielen, ohne dass nicht ein anderes darunter leidet. Jeder Anlegende muss sich daher darüber klar sein, welches der drei Ziele er vorzugsweise verfolgt.

Scherfling empfiehlt jungen Anleger:innen allerdings, ihre besondere Lebenssituation zu berücksichtigen. „Bei ihnen kann noch vieles kurzfristig passieren. Plötzlich steht zum Beispiel ein Auslandssemester an, oder ein Umzug. Sparen, aber jederzeit an das Ersparte rankommen können - das ist in dieser Lebensphase wichtig”, sagt der Finanzexperte. Zudem könnten bald die Zinsen wieder steigen. Dann wäre es wenig lukrativ, bereits einen großen Betrag zu einem niedrigen Zinssatz angelegt zu haben.

Problematisch findet Scherfling auch das Dickicht aus Finanzprodukten. Den Durchblick bei der Fülle etwa an Sparbriefen oder Fondssparplänen zu bewahren, hält er für eine Herausforderung. Einen geeigneten Investmentfonds zu finden, sei für unerfahrene Privatanleger:innen eine Kunst. Dem Angebotsdschungel steht eine schlecht informierte Klientel gegenüber. Nicht einmal jeder Dritte zwischen 18 und 24 Jahren weiß überhaupt, was ein Investmentfonds ist, hat eine Studie des Bankenverbands ergeben. In dieser Studie zeigt sich jedoch auch, dass Schüler:innen bereit sind, sich dieses Wissen anzueignen. Über die Hälfte der befragten 14- bis 24-Jährigen wünscht sich, dass Finanzthemen, wie der Umgang mit Geld und Möglichkeiten der Altersvorsorge, in der Schule einen höheren Stellenwert einnehmen.

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