Schulen installieren Solaranlagen, stellen die CO2-Bilanz ins Zentrum von Projekttagen, Schülerinnen und Schüler organisieren sich in Bewegungen wie „Fridays for Future“ und beteiligen sich an wöchentlichen Demos: Mit dem Klimawandel beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler mittlerweile nicht mehr nur abstrakt. Damit wird es für sie immer wichtiger, die Hintergründe zu verstehen. Nur so können sie Instrumente für den Klimaschutz hinterfragen und Forderungen an die Politik diskutieren. Wie Umweltschutz und Wirtschaft zusammenpassen, erforscht der Hamburger Juniorprofessor für Nachhaltigkeitsökonomik, Moritz Drupp. Über Ansatzpunkte für den Unterricht spricht er im Interview mit Wirtschaftsjournalistin Miriam Binner.
Was Ökonomen beim Klimawandel umtreibt, ist ein spezieller Fall von Marktversagen: durch sogenannte externe Effekte. Das bedeutet in der Theorie, dass die Verursacher von Treibhausgasemissionen die schwerwiegenden Folgen ihres Handelns für die Umwelt und die Weltbevölkerung nicht ausreichend einkalkulieren. Wenn also die Temperaturen auf der Erde ansteigen und Lebensräume und Existenzen dadurch bedroht werden, bezahlen viele für die Entscheidungen einiger weniger Akteure. Wie dieses Thema im Unterricht aufbereitet werden kann, zeigt das aktuelle Material des Monats. (Link/Verweis).
Herr Drupp, die Auftritte von Aktivistin Greta Thunberg etwa beim UN-Klimagipfel im vergangenen Jahr haben Millionen junger Menschen erreicht – welche Impulse kann ihnen der Wirtschaftsunterricht liefern?
Wenn die Öffentlichkeit kontrovers darüber diskutiert, wie sich die Politik für die Klimarettung einsetzen soll, dann geht es genau um die grundlegenden Fragen der Umweltökonomie: Was soll der Staat etwa gegen klimaschädliche CO2-Emissionen unternehmen? Und wie stark darf er eingreifen? Darauf gibt es keine einfache Antwort, denn: Einerseits weist die soziale Marktwirtschaft die Politiker in die Schranken – sie sollen sich aus vielen Bereichen des Wettbewerbs raushalten. Andererseits zeigt der Klimawandel, dass der Markt gewaltig versagen kann und weitreichende Eingriffe nötig sind: Wenn wie hier die Umwelt und große Teile der Weltbevölkerung heute und insbesondere in der Zukunft darunter leiden. Guter Wirtschaftsunterricht kann helfen, Verständnis dafür zu entwickeln, wie der Staat einen besseren Rahmen für unsere soziale Marktwirtschaft setzen kann und sollte.
In der Fachsprache sind es negative externe Effekte, die der Klimawandel besonders verdeutlicht. Wie lässt sich das Konzept einfach vermitteln?
Externe Effekte sind allgegenwärtig, deswegen gibt es auch viele gute Beispiele. Im Klassenzimmer: Eine Schülerin oder ein Schüler stört den Unterricht – das kann nicht nur für sie oder ihn selbst negative Folgen haben, zum Beispiel Zusatzaufgaben. Sondern es gibt externe Effekte auf alle anderen in der Klasse: Sie können weniger gut lernen.
Wer nur auf sich schaut, kann anderen schaden – das wird in dem Beispiel klar. Doch gerade beim Klimaschutz wird es schnell unübersichtlich.
Das stimmt, es fängt beim Autofahren an, geht über die Nutzung von fossilem Strom, bis hin zur Auswahl einzelner Produkte im Supermarkt. Sämtliche Auswirkungen der eigenen Konsumentscheidungen und in ihnen enthaltenen CO2-Emissionen zu überblicken, klappt nicht einmal mit intensiver Recherche.
Können wissenschaftliche Theorien da weiterhelfen?
Die Klimaökonomik kann und sollte zwar keine Kauf- oder Verhaltensentscheidungen abnehmen. Sie kann aber Vorschläge für die Politik liefern, wie sie die Verantwortung für Umweltschäden fair berücksichtigen kann. Oder wie Anreize für umweltschonendes Handeln aussehen können – seitens der Industrie oder der Verbraucher. Zum Beispiel mit der sogenannten Pigou-Steuer auf Produkte, die hohe Emissionen verursachen: Um wie viele Cent muss etwa ein Liter Benzin oder Heizöl teurer werden, damit weniger verbraucht wird? Klimaökonomen versuchen eine angemessene Höhe solcher Abgaben zu berechnen – gerade hoch genug, um die Einkommen nicht unverhältnismäßig zu belasten, gleichzeitig aber auch hoch genug, damit genug Klimaschäden vermieden werden. Eine Orientierung an den Pariser Klimazielen der Vereinten Nationen würde beispielsweise bedeuten, dass der Benzinpreis durch eine CO2-Steuer in naher Zukunft um zirka einen halben Euro teurer werden sollte.
Steuern und ihre Verteilungswirkungen bleiben oft abstrakt. Wie lässt sich anschaulich in die Instrumente der Klimaökonomik einsteigen?
Zum Beispiel über die weltbekannte Idee des britischen Wirtschaftswissenschaftlers Ronald Coase: Dabei sollen die Verursacher von Umweltschäden zunächst mit den Geschädigten direkt verhandeln – um selbst zu einem fairen Ausgleich zu kommen, also ganz im Sinne des Marktmechanismus. Zum Beispiel wäre eine Möglichkeit, eine Entschädigung zu vereinbaren – die macht das problematische Verhalten teurer und damit weniger attraktiv. In Bezug auf den Klimawandel wird klar, warum die Idee sehr schnell an Grenzen stößt. Das lässt sich im Klassenraum gut nachspielen: Während eine kleine Gruppe noch einfach verhandeln kann, wird es bei so vielen Beteiligten wie beim Klimawandel praktisch unmöglich, sich zu einigen. Dazu kommt, dass viele der Menschen, die die Folgen umweltschädlichen Handelns von heute in der Zukunft zu spüren bekommen, noch gar nicht geboren sind und deshalb auch nicht mitreden können.
Risiken für andere mitzudenken – welche weiteren Anknüpfungspunkte liefert Ihre aktuelle Forschung?
In einer neuen Studie übertragen wir das Konzept der externen Effekte auf die Corona-Pandemie: Wenn eine Person nicht auf physische Distanz geht, erhöht sie das Infektionsrisiko für eine ganze Gruppe an Menschen – weil sie Infektionsketten in Gang setzen kann. Konkret untersuche ich mit Kollegen und Kolleginnen, warum Menschen in letzter Zeit ihre Kontakte reduziert haben. Allein, um sich selbst zu schützen? Oder aus Sorge um ihre Familie und Freunde, Bekannte oder auch Fremde?
Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich davon?
Bis zur Veröffentlichung dauert es noch ein paar Monate, aber schon jetzt können wir sehen: In Bezug auf das Coronavirus verändern Menschen ihr Verhalten bereits deutlich aus rein eigennütziger Motivation. Weil sie die Gefahr für die eigene Gesundheit direkter wahrnehmen als etwa die Risiken durch den Klimawandel – da erscheinen die Folgen viel weiter weg. Wir sehen aber auch, dass viele Menschen bei ihren Kontaktreduzierungen substanziell an andere denken, und somit den externen Effekt reduzieren. Unsere Hoffnung ist, über weitere Studien besser zu verstehen, warum und wie das im Corona-Kontext geschieht, auch um daraus für den Umgang mit dem Klimawandel zu lernen.
Herr Drupp, vielen Dank für das Gespräch.
Über den Interviewpartner:
Moritz Drupp ist Juniorprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg mit dem Forschungsschwerpunkt Umweltökonomik und Mitglied im Klima-Exzellenzcluster CLICCS. Er unterrichtet unter anderem die Fächer „Nachhaltigkeitsökonomik“ sowie „Ungleichheit und Umwelt“ und veröffentlicht in internationalen Fachzeitschriften wie dem „American Economics Journal: Economics Policy“ oder dem „Journal of Environmental Economics and Management“.