Der Wirtschaftspädagoge Andreas Ott setzt in seinem Unterricht verstärkt digitale Lerneinheiten ein. Er erstellt für seine Schülerinnen und Schüler Lernvideos, damit sich diese von Zuhause und in ihrem Tempo Wissen aneignen können. Dass derartige Lernhilfen nicht nur in Zeiten der Corona-Krise viele Vorteile bringen, zeigt er im Folgenden auf.
Vorteile der Wissensvermittlung über Videos
Die Wissensvermittlung über digitale Lerneinheiten, wie z. B. (Erklär-)Filme entspricht schon lange der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler. Daher bietet es sich an, diese Medien auch für den Unterricht aufzugreifen. Damit werden nicht nur die Motivation, sondern auch die Aufmerksamkeit gesteigert.
Darüber hinaus bieten Filme auch spezifische Vorteile:
Anders als ein Buch bedient ein Video die Kanäle Auge und Ohr. Durch die Kombination von Visualisierung und mündlicher Erklärung können die Inhalte anschaulicher dargestellt und besser im Gehirn verankert werden.
Videos können Prozesse besser verdeutlichen. Steht z. B. bei einer vollständigen Angebotspreiskalkulation oder einem komplexen Kostenträgerzeitblatt das Ergebnis lediglich gedruckt zur Verfügung, so lässt sich nur schwer nachvollziehen, wie und warum sich welche Zahl ergeben hat. Die rein gedruckte Lösung ist für den Lernenden hier nicht besonders hilfreich.
Positiv hervorzuheben ist ebenfalls die universelle Einsetzbarkeit von Videos: Sie können Zuhause, unterwegs und im Unterricht eingesetzt werden – außerdem zur Vorbereitung oder auch zur Wiederholung. Die digitale Lerneinheit kann damit leisten, was im herkömmlichen Unterricht nicht möglich ist: Lernende können das Video mehrmals anschauen oder innerhalb des Videos zurückspringen, um spezielle Inhalte zu wiederholen.
Web Based Trainings (WBTs) und deren Nutzungsmöglichkeiten im „Flipped Classroom“
WBTs sind sämtliche Lehr- und Schulungsmaßnahmen, die mit Hilfe des Internets angeboten und durchgeführt werden. Sie umfassen einerseits das Material, das den Lernenden zur Verfügung gestellt wird und andererseits auch die Kommunikation zwischen den Lernenden und ihrer Lehrkraft.
Solche WBTs spielen bei der Unterrichtsmethode des Flipped Classroom („umgedrehter Unterricht“) eine bedeutende Rolle. Hier werden die Lernorte Schule und heimischer Schreibtisch getauscht. Was bislang im Unterricht erfolgte (die Wissensvermittlung), geschieht nun über Lernvideos daheim. Die Übungsphasen, die traditionell Zuhause erfolgten, finden im Unterricht statt, wo die Mitschülerinnen und Mitschüler und die Lehrkraft unterstützend zur Seite stehen. Die bei dieser Unterrichtsmethode eingesetzten Videos fungieren als Impulsvideos, da damit das Grundwissen der Lernenden aktiviert wird und eine konkrete Problemstellung zu bearbeiten ist. So auch im Material des Monats: Die zu erlernenden Aspekte des Marketings werden in reale Frage- und Problemstellungen eingebettet, wodurch sich die Schülerinnen und Schüler besser mit dem Thema identifizieren können. Die Lernenden sind aktiv gefordert, sie müssen geeignete Marketingmaßnahmen zusammenstellen. Im Anschluss können im Plenum Fragen geklärt werden und das Wissen mittels eines Arbeitsblatts gefestigt werden. Die durch diese Erfahrung aktiv erworbenen Kenntnisse verankern sich intensiv im Gedächtnis.
Sehr beliebt unter Lernenden sind interaktive Lernvideos. Das Video hält zu einem bestimmten Zeitpunkt an, und der Lernende hat z. B. eine Multiple-Choice-Frage zum eben besprochenen Thema zu beantworten. Erst wenn er die Frage korrekt beantwortet hat, kann er das Video weiterschauen. Als Tipp: Solche interaktiven Inhalte wie z. B. Quizze, Lückentexte oder Memorys können auf der kostenlosen Seite www.h5p.org auch ganz einfach selbst erstellt werden.
Welche Inhalte eignen sich für Lernvideos?
Die Einsatzmöglichkeiten von Lernvideos sind sehr vielfältig. Grundsätzlich kann damit vom Grund- bis zum Spezialwissen alles abgedeckt werden. Nach meiner Erfahrung bietet es sich an, komplexere Themen mit Hilfe von Lernvideos zu behandeln. Beispielsweise ist die Kostenträgerstückrechnung ein starres Schema, das nur schwierig fragend-entwickelnd erarbeitet werden kann, da den Schülerinnen und Schülern hier das Vorwissen fehlt. Somit ist ihnen das Kalkulationsschema in irgendeiner Form vorzugeben. Möglicherweise als Lernvideo. Auch die Erklärung, warum es sinnvoll ist, dass Länder miteinander handeln, kann gut in einen Film ausgelagert werden. Denn die dahinterstehende Theorie der absoluten und komparativen Kostenvorteile ist für manche Schülerinnen und Schüler zunächst nicht einfach zu verstehen. Dafür brauchen manche länger als andere. Gerade hier kommt der Vorteil der Lernvideos zur Geltung. Besonders schwächere Schülerinnen und Schüler profitieren davon, dass sie die Pausetaste drücken können, um das Gesagte nachzuvollziehen oder im Video zurückzuspringen, um sich etwas nochmals erklären zu lassen.
Wie kann man weitere E-Learning-Elemente nutzen?
E-Learning ist nicht nur das Anschauen von erklärenden Filmen und das parallele Mitschreiben relevanter Inhalte. Auch die Lernzielkontrollen können digital erfolgen. Ein Beispiel wäre Learning Apps (www.learningapps.org). Zu vielen Wirtschaftsthemen sind hier bereits Lernspiele vorhanden.
Andernfalls kann mithilfe diverser Vorlagen und Werkzeuge (u. a. Chat und Abstimmung) ein eigenes Learning App erstellt werden.
Nach einer kostenlosen Registrierung wird der Inhalt (z. B. die Quizfragen) eingegeben und gespeichert. Der Link zum Spiel kann per Mail verschickt oder in eine Lernplattform eingebunden werden. Die Nutzung erfolgt zeitunabhängig, d. h. so lange die App online ist, kann sie auch gespielt werden.
Falls Sie auch mal eine Unterrichtsstunde „flippen“ möchten, sich die Schülerinnen und Schüler das Wissen also daheim und bereits vor der Unterrichtsstunde aneignen, ist es sinnvoll, dass diese überprüfen können, ob sie die Inhalte verstanden haben. Dazu kann die Lehrkraft das konkrete Learning App z. B. mit Kurzlink oder QR-Code auf dem Arbeitsblatt zum Video verlinken. Konnten Lernende die Fragen nicht korrekt beantworten, so wissen sie, dass sie sich mit den Inhalten des Lernvideos nochmals auseinandersetzen sollten.
Ein weiteres Beispiel für eine digitale Lernzielkontrolle wäre das Teach Economy Quiz. Aktuell können Sie hier ein Quiz aus einem vorgefertigten, redaktionell geprüften Fragenpool zum Thema Wirtschaftspolitik erstellen. Ein mögliches Einsatzszenario besteht darin, dass die Inhalte der Vorstunden digital wiederholt werden. Besonders motivierend dabei ist, dass die Lernenden nicht nur für sich selbst Punkte sammeln, sondern ihr Wissen in Teams gegeneinander beweisen können. Auf diese Art bekommt die Lehrkraft Rückmeldung über den Wissensstand der Schülerinnen und Schüler und kann dann gezielt auf Probleme eingehen.
Fazit
Sie sehen, WBTs, die z. B. auf Impuls-, Erklärvideos oder Lernspielen aufbauen, sind zeitgemäß, Bestandteil der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler und vor allem gut in den Unterricht zu integrieren. Insbesondere Lernvideos sind längst nicht mehr Lückenfüller für die letzte Stunde vor den Ferien, sondern eignen sich gut, um Grundlagen und Faktenwissen zu vermitteln. Dabei ersetzen diese Formate aber keinesfalls die Lehrkraft. Es verändert sich eher die Rolle vom „reinen Wissensvermittler“ hin zum „Moderator“ und „Lernbegleiter“.