Zurück

Die Konjunktur steht Turbulenzen gegenüber: Auf Abschwung folgt Aufschwung?

Was treibt die Wirtschaft an und was bremst sie? Der aktuelle Beitrag von Prof. Dr. Torsten Schmidt, Professor für Empirische Makroökonomie an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Kompetenzbereichs Wachstum, Konjunktur und öffentliche Finanzen beim RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, widmet sich dem Rhythmus des Konjunkturzyklus und den Maßnahmen, um diesen zu steuern.

Die Stimmung in der Wirtschaft ist derzeit immer noch schlecht. Der Geschäftsklimaindex hat sich im Juni nochmals stark verschlechtert. Mit einem Rückgang von 91,5 auf 88,5 Punkten hatte man nicht gerechnet. Viele Unternehmen klagen über zu wenig Aufträge. Bereits seit Ende des vergangenen Jahres geht die Wirtschaftsleistung zurück. Die Verbraucher:innen werden von stark steigenden Preisen belastet und die Unternehmen leiden unter den hohen Energie- und Materialkosten und der schwachen Nachfrage. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit. Die deutsche Wirtschaft steckt derzeit in einer Rezession. Wann diese beendet wird, lässt sich derzeit noch nicht mit Gewissheit sagen. Die meisten Wirtschaftsprognosen gehen aber davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in der zweiten Jahreshälfte wieder steigt.

Was ist der Konjunkturzyklus?

Diese Einschätzung basiert auf der Erkenntnis, dass die Wirtschaftsaktivität einer Volkswirtschaft Veränderungen unterworfen ist, die Konjunkturzyklen genannt werden.

Darunter werden die Schwankungen in der gesamtwirtschaftlichen Aktivität verstanden. Es geht also nicht um Schwankungen der Produktion in einzelnen Wirtschaftssektoren, sondern um diese in großen Teilen der Volkswirtschaft. Daher werden Konjunkturschwankungen anhand des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrachtet. Dies misst die Summe, der in einer Volkswirtschaft in einer bestimmten Periode produzierten Güter und Dienstleistungen und ist somit das breiteste Maß der gesamtwirtschaftlichen Aktivität, das uns zur Verfügung steht. Um Konjunkturzyklen zu erfassen, werden in der Regel aber noch weitere Variablen, wie die Arbeitslosenquote und die Zinsen betrachtet, um sicherzustellen, dass die Schwankungen in mehreren Parametern zu beobachten sind.

Konjunkturelle Schwankungen und ihre Folgen – die Aufschwung- und Abschwungphase

Konjunkturzyklen werden üblicherweise in zwei Phasen eingeteilt. In der Aufschwungphase steigt das BIP von einem Zeitraum zum nächsten. In einer Abschwungphase oder Rezession geht die Wirtschaftsleistung zurück. Bei dieser Definition von Konjunkturzyklen wird zugrunde gelegt, dass beide Phasen eine gewisse Zeit dauern und nicht nur einzelne Perioden, z. B. Quartale, betreffen. Einer populären Definition folgend, muss das BIP mindestens in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen sinken, um von einer Abschwungphase zu sprechen. In Deutschland sind Rezessionsphasen in der Regel jedoch länger. Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass Konjunkturzyklen sieben bis neun Jahre dauern, wobei Aufschwungphasen typischerweise eine längere Periode einnehmen als Rezessionen.

Konjunkturelle Schwankungen sind von Bedeutung, da sie mit gravierenden wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung eines Landes einhergehen können. So steigt in Rezessionen üblicherweise die Arbeitslosigkeit und die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nimmt zu, was dazu führt, dass viele Menschen ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage verlieren. Aus diesem Grund ist die Wirtschaftspolitik bemüht, die Folgen einer Rezession für Haushalte und Unternehmen abzumildern, indem sie Hilfsmaßnahmen ergreift. So wurden während der Corona-Pandemie die Leistungen des Kurzarbeitergeldes ausgeweitet. Dadurch sollte verhindert werden, dass die Unternehmen Arbeitnehmende entlassen müssen. Selbstständige und Kleinstunternehmen wurden durch Geldzahlungen im Rahmen der Soforthilfen unterstützt. Der Erfolg einer Unterstützungsmaßnahmen, hängt jedoch maßgeblich von der Ursache der Rezession ab.

Einschnitte der deutschen Wirtschaft

Abbildung Bruttoinlandsprodukt und Produktionspotenzial in Deutschland
1996 bis 2022, im Mrd. Euro

Konjunkturzyklen

Quelle: BIP: Statistisches Bundesamt. Potenzial: Schätzung des RWI.

Seit dem Jahr 2000 lassen sich für die deutsche Wirtschaft drei Rezessionen identifizieren (Abbildung). Die Rezession, die im Jahr 2001 einsetzte, war die Folge eines Börsencrashs in den USA und weiteren wichtigen Börsenplätzen, die auch in Deutschland zum Abschwung führte. Die starken Rückgänge der Börsenwerte vieler Unternehmen schränkte deren Finanzierungsmöglichkeiten ein, so dass die Unternehmensinvestitionen in dieser Phase zurückgingen. Von den sinkenden Vermögenswerten waren auch die privaten Haushalte betroffen, so dass diese in Folge ihren Konsum einschränkten.

Die stärkste Rezession in Deutschland setzte im Jahr 2008 ein. Ausgangspunkt war hier ein Rückgang der Bauinvestitionen in den USA, der durch ausfallende Immobilienkredite den Bankensektor in den USA erfasste. Durch den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 kamen weltweit Banken in Finanznot, so dass sie keine Kredite mehr vergeben konnten. Die Folge war ein kräftiger Rückgang der Unternehmensinvestitionen, insbesondere der Bauinvestitionen. Die weltweite Nachfrageschwäche dämpfte in Deutschland zudem die Exporte.

Die jüngste Rezession war die bereits erwähnte Corona-Krise. Vor allem der private Konsum litt während dieser Zeitperiode. Der Grund dafür waren insbesondere die Infektionsschutzmaßnahmen, die die Konsummöglichkeiten stark einschränkten. Trotz des Booms im Onlinehandel, konnte der Rückgang des Umsatzes in den Ladenlokalen nicht kompensiert werden.

Maßnahmen und Strategien zur Konjunktursteuerung

Den jeweiligen Erfordernissen folgend, hat die Wirtschaftspolitik mit spezifischen Maßnahmen reagiert. Um die Belastungen von Unternehmen und Haushalten durch die steigenden Gas- und Strompreise zu begrenzen, hat die Bundesregierung zu Beginn dieses Jahres eine Obergrenze für Gas- und Strompreise auf der Verbraucherebene eingeführt. Die Differenz zwischen diesen festgelegten Preisen und den Marktpreisen werden aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Auf diese Weise stabilisiert der Staat die verfügbaren Einkommen und damit den privaten Konsum.

Während der Finanzkrise wurden den Banken in großem Umfang Finanzhilfen angeboten. Einige Banken und Finanzinstitute, denen eine Insolvenz drohte, wurden abgewickelt bzw. geschlossen. In der jüngsten Corona-Krise wurden Hilfen vor allem den Unternehmen zur Verfügung gestellt, die aufgrund des Hygieneschutzes ihre Tätigkeit einstellen mussten. Daneben werden grundsätzlich Maßnahmen ergriffen, die in einer Rezession die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stabilisieren sollen, beispielsweise werden die öffentlichen Ausgaben erhöht. Zudem reagiert die Geldpolitik in Rezessionen auf die Nachfrageschwäche, indem sie die Zinsen senkt.

Die Folge dieser wirtschaftspolitischen Maßnahmen ist, dass die öffentlichen Ausgaben steigen, während die Steuereinnahmen in Rezessionen sinken. Dies geht mit einem Anstieg der öffentlichen Verschuldung einher. Um eine dauerhafte Stabilität der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten, d. h. sicherzustellen, dass die gestiegene Verschuldung in konjunkturellen Aufschwungphasen zurückgeführt wird, wurde im Jahr 2011 die Schuldenbremse in das Grundgesetz eingeführt. Sie besagt, dass die konjunkturell unabhängige Verschuldung des Bundes nicht höher als 0,35 % in Relation zum BIP sein darf. Zudem wird eine konjunkturelle Verschuldung erlaubt, die in Aufschwungphasen positiv und in Rezessionen negativ ist. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Schuldenstand nicht in der Tendenz steigt. Diese Regel ist allerdings umstritten, da sie die Investitionen des Bundes beschränkt. So wird argumentiert, dass die Investitionen aufgrund dieser Regel nicht ausreichen, um die öffentliche Infrastruktur, wie Straßen und Brücken, instand zu halten. Die jetzige Bundesregierung hat daher die Überprüfung der aktuellen Verschuldungsregel in ihrem Koalitionsvertrag aufgenommen.

Tipp

Material des Monats: Gute Zeiten, schlechte Zeiten – sollte der Staat in die Wirtschaft eingreifen?

Alle Artikel aus der Rubrik "Aktuelles" im Überblick