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Energiewende im Aufwind?

Die Energiewende kommt nicht so recht voran. Die Emissionen wollen nicht runter, der Ausbau - insbesondere der Windkraft - stockt. Das soll sich ändern, aber wie? Wirtschaftsjournalistin Pauline Schinkels blickt auf Genehmigungen für Schwertransporte, Bürgerbeteiligungen und das neue „Wind-an-Land-Gesetz“.

Zwischenzeitlich ging an Nordrhein-Westfalens größten Flughafen in Düsseldorf nur noch wenig. Sieben Klimaaktivist:innen der Gruppe Letzte Generation hatten sich auf das Rollfeld geklebt. Flüge fielen in der Folge aus, mussten umgeleitet werden oder konnten erst verspätet abheben. Binnen weniger Stunden löste die Polizei die Blockade zwar wieder auf, aber radikale Protestaktionen wie diese sind umstritten. Sogar Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck äußerte sich und kritisierte, die Aktion „schade dem Anliegen Klimaschutz massiv“.

Mit Protesten wie diesen wollen die Aktivist:innen auf die Dringlichkeit von Maßnahmen gegen die Erderwärmung aufmerksam machen, andernfalls lasse sich das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel kaum noch erreichen. Grund zur Sorge geben auch Einschätzungen von Expert:innen, wonach die Treibhausgas-Emissionen in diesem Jahr in Deutschland wieder nach oben schnellen könnten.

Eine Energiewende ist aber nicht nur aus klimatischen Gründen nötig, spätestens mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist deutlich geworden, wie abhängig Deutschland von russischem Gas ist. Der Ausstieg aus der Kernkraft wurde deshalb zunächst verschoben, erst im April sind die letzten drei Reaktorblöcke abgeschaltet worden. Entgegen der Kritik von Klimaschützer:innen sollen deutsche Importterminals für Flüssigerdgas entstehen. LNG besteht zu großen Teilen aus klimaschädlichem Methan, das Gas soll vor allem aus den USA oder Katar kommen. Die neuen Terminals dienen der Versorgungssicherheit, erklärte Habeck. Für den Wirtschaftsminister ist es bei der Energiepolitik ein Balanceakt, Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und eben Versorgungssicherheit auszutarieren.

Klar bei alledem ist: Eine zentrale Rolle bei der Energiewende spielt die Windkraft, sie war 2021 (nach Kohle) bereits der zweitwichtigste Energieträger. Allerdings stockt der Zubau, Gründe dafür gibt es viele: Naturschützer:innen protestieren, weil Windräder eine Gefahr für Vogelarten oder Fledermäuse darstellen können. Anwohner:innen protestieren, weil sie sich gestört fühlen, vom Schatten, den die Anlagen werfen, vom Lärm, den die Rotorblätter verursachen oder sie befürchten, ihre Immobilien könnten dadurch einen Wertverlust erleiden.

Betreiber gesetzlich verpflichtet, Anwohner:innen zu beteiligen

Seit Langem wird deshalb darüber diskutiert, Kommunen und Anwohner:innen am Ertrag von Windparks finanziell zu beteiligen und die Arbeit von Bürgerenergiegesellschaften zu erleichtern, um deren Akzeptanz zu erhöhen. Im vergangenen Jahr hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bestätigt, dass Windparkbetreiber dazu sogar verpflichtet werden können. Dass die Akzeptanz steigt, wenn Anwohner:innen sich einbringen, zeigt ein Beispiel im nordrhein-westfälischen Kreis Soest. Zehn Jahre und etliche Gutachten und Genehmigungsverfahren hat es gedauert, bis es so weit war und in Erwitte-Völlinghausen ein Bürgerwindpark mit vier Anlagen stand.

Die noch immer lange Realisierungsdauer, also die Zeit zwischen Zuschlag und Inbetriebnahme einer Windkraftanlage, beklagen auch Branchenverbände, wie die Fachagentur Windenergie. Es kann allein bis zu drei Monate dauern, die Genehmigung für die Schwertransporte zu bekommen, mit denen Rotoren oder Turmsegmente geliefert werden. Laut dem Bundesverband Windenergie stauen sich bei der Autobahn GmbH derzeit Tausende Anträge. Dabei dürften, um die Rotorblätter in Windparks zu befördern, 30.000 Schwertransporte pro Jahr nötig sein, schätzt der Fachverband Power Systems. Eigentlich müssten jährlich Hunderte solcher Windparks wie im Kreis Soest entstehen. Bis 2030, hat sich der Bund vorgenommen, soll bei der Windenergie das Ausbauziel von 115 Gigawatt (GW) an Land erreicht werden.

Um die schleppenden Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, trat im Februar 2023 das „Wind-an-Land-Gesetz“ in Kraft. Grüne, SPD und FDP hatten bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass bis 2032 zwei Prozent der Landesfläche für den Bau von Windrädern ausgewiesen werden sollen. Bisher hinken die Bundesländer aber hinterher, vergangenes Jahr erreichte lediglich Schleswig-Holstein dieses Ziel. Noch dürfen die Bundesländer selbst über Mindestabstände entscheiden. In Bayern muss jedes aufgestellte Windrad das Zehnfache seiner Höhe an Entfernung zum nächsten Wohngebiet haben. Bei einem herkömmlichen Windrad bedeutet das einen Abstand von zwei Kilometern. Das hatte bisher zur Folge, dass in Bayern vergleichsweise wenig Windenergieanlagen entstanden. In der ersten Jahreshälfte 2023 wurden dort insgesamt nur fünf neue Anlagen in Betrieb genommen. Das entspricht gerade einmal einem Prozent des gesamten Zubaus. Mit dem Wind-an-Land-Gesetz gilt: Erreicht ein Bundesland künftig sein Flächenziel nicht, tritt die jeweilige Abstandsregel außer Kraft.

Und wer baut, kann sich künftig in Sachen Artenschutz an bundeseinheitlichen Standards orientieren. Dafür wurde das Bundesnaturschutzgesetz geändert. Außerdem kann in Landschaftsschutzgebieten gebaut werden, wenn es dort besonders windig ist. Dafür hat das Bauministerium das sogenannte Raumordnungsgesetz novelliert. Die Bundesregierung hofft, dass sich die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen so um rund ein Jahr verkürzen lassen.

Jetzige Maßnahmen werden nicht reichen

Noch ist von den neuen Gesetzen nicht viel zu spüren. Das Tempo beschleunigt sich zwar etwas aber schon jetzt liegen Prognosen vor, dass Deutschland die selbstgesteckten Zubauziele für Windkraft für das kommende Jahr verfehlen wird. Für die Klimaziele sieht es, Stand jetzt, ähnlich düster aus. Laut einem Projektionsbericht der Bundesregierung, den das Öko-Institut und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung alle zwei Jahre vorlegen, werden die bisher geplanten und beschlossenen Maßnahmen nicht genügen, um das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität 2045 zu erreichen.

Um das doch noch zu schaffen, soll Wasserstoff helfen. Die Bundesregierung will mehr davon erzeugen und die dafür nötigen Elektrolysekapazitäten ausbauen, um schneller von fossilen Brennstoffen wegzukommen. Kürzlich hat sie ihrer Strategie ein Update verpasst. Demnach soll neben dem grünen Wasserstoff zunächst auch Wasserstoff aus Erdgas gefördert werden, bis ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht. Ziel ist es, Wasserstoff vor allem in der Chemie- und Stahlproduktion sowie im Schwerlastverkehr einzusetzen, um diese nachhaltig zu transformieren.

Gerade Letzterer, der Verkehrssektor, bleibt nämlich ein großes Problem. 2021 hatte er in Deutschland 148 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen – und damit drei Millionen Tonnen mehr als für das Jahr vorgegeben waren - trotz Corona und Homeoffice. Ein Expertenrat der Bundesregierung hat die geplanten Maßnahmen des Verkehrsministeriums in Sachen Klimaschutz deshalb geprüft. Das Urteil fiel verheerend aus: Das Sofortprogramm für den Verkehr sei „schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch“. Neu ist die Kritik allerdings nicht. Seit Jahren fordern Forscher:innen staatliche Subventionen im Verkehrssektor, die Fehlanreize setzen, abzuschaffen, etwa die niedrige Besteuerung von Dienstwagen oder die Pendlerpauschale, außerdem empfehlen sie, den Sprit über den CO2-Preis zu erhöhen. Bisher fehle es auch an Angeboten, damit mehr Leute das eigene Auto stehen lassen oder ganz darauf verzichten.
Auch die Luftfahrt profitiert von Steuervorteilen. So ist Kerosin von der Mineralölsteuer befreit. Nicht zuletzt deswegen klebten sich die Aktivist:innen auf ein Rollfeld. Da verwundert es nicht, dass die Gespräche der Letzten Generation mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing in diesem Jahr ergebnislos geblieben waren.

Die Energiewende in Zahlen:

  • 2021 lag der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bei 41 Prozent, 2022 stieg er auf 46,2 Prozent, bis 2030 sollen es mindestens 80 Prozent werden.
  • 2022 sind die Treibhausgasemissionen leicht um 1,9 Prozent gesunken, insgesamt wurden 746 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt, das waren 15 Millionen Tonnen weniger als 2021. Die Sektoren Verkehr und Gebäude lagen allerdings erneut über den Jahresemissionsmengen, die laut Klimaschutzgesetz zulässig sind.
  • Bis zum Jahr 2032 müssen die Bundesländer zwei Prozent ihrer Landesfläche für Windkraft ausweisen, derzeit sind es erst 0,8 Prozent, allerdings sind nur 0,5 Prozent tatsächlich verfügbar.

Quelle: Bundesregierung, Fragen und Antworten zur Energiewende

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