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ELF-Studie: Wirtschaft Lehren und Lernen in der digitalen Welt – wo stehen wir und wo geht es hin?

Nach wie vor stellt die Corona-Krise Schulen und Lehrpersonen vor große Herausforderungen, aber sie bietet auch vielfältige Chancen, die weitreichenden Möglichkeiten des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien zu nutzen und Anwendungskompetenzen bei allen beteiligten Bildungsakteuren weiter auszubauen. Innovative Fortbildungskonzepte in digitalen Settings können hierfür einen wichtigen Beitrag leisten. Denn Arbeitswelt und Wirtschaft sind längst im digitalen Zeitalter angekommen – doch ist es die ökonomische Bildung in der Schule auch?

Mit der wachsenden Bedeutung digitaler Kompetenzen in Schule und Arbeitsleben stehen Lehrpersonen vor der Herausforderung, mit geeigneten didaktischen Konzepten digitale Medien sinnhaft und kompetenzfördernd in den Lehr- und Lernprozess einzubetten. Inzwischen gibt es zwar zahlreiche digitale Methoden, Materialien und Werkzeuge, die Lehrpersonen vielfältig für Ihren Wirtschaftsunterricht einsetzen können. Doch dieser Bandbreite an Möglichkeiten steht nicht selten eine Anwendungsunsicherheit oder verschiedenen Anwendungshemmnisse gegenüber (z.B. Unsicherheiten hinsichtlich des Datenschutzes und der Urheberrechte, Unübersichtlichkeit des Angebotes, Fragwürdigkeit der Qualität etc.).

Studie zu Lehrerfortbildungen im Bereich der ökonomischen Bildung

Es ist demnach wenig verwunderlich, dass in einer bundesweiten Querschnittsuntersuchung der Universität Potsdam zu Fortbildungserfahrungen, -motivationen und -bedarfen von Lehrpersonen in der ökonomischen Bildung, das Thema des Digitalen Lehrens und Lernens als vorrangiger Fortbildungswunsch artikuliert wurde. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Einstellungen von Lehrpersonen zu Fortbildungen (ELF) – Entwicklungsperspektiven für die Professionalität von Lehrpersonen im Feld der ökonomischen Bildung“ (gefördert durch die Joachim Herz Stiftung) wurden mit Hilfe eines Online-Surveys mehr als 600 Lehrkräfte aus einschlägigen Ankerfächern ökonomischer Bildung befragt.

Insgesamt konnte bei beinahe 75 % der Stichprobe ein hoher Fortbildungsbedarf festgestellt werden, da die Lehrpersonen „im ständigen Wandel der Wirtschaft aktuell bleiben wollen, um wirtschaftliche Themen und Geschehnisse verstehen bzw. im Unterricht vermitteln zu können“. Unterstützungsbedarf sehen die Befragten auch hinsichtlich neuer Methoden und Materialien für den Wirtschaftsunterricht und dem Umgang mit digitalen Medien im Klassenzimmer. Die Anwendungssicherheit bei analogen ökonomischen Methoden wie Planspiele, ökonomische Experimente oder Nutzwertanalyse wird nur als befriedigend angegeben. Daher werden diese didaktischen Gestaltungsmöglichkeiten von weniger als der Hälfte der befragten Lehrkräfte regelmäßig im Unterricht angewendet. Noch geringer fällt die Nutzung digitaler Medien aus. Während Filme von über 80 % der Befragten regelmäßig eingesetzt werden, nutzen nur ca. 40 % interaktive Statistiken, ca. 30 % Simulationen und ca. 20 % computerbasierte Spiele, um ökonomische Zusammenhänge zu verdeutlichen. Dies liegt nicht zuletzt an der oft mangelhaften Ausstattung der Schulen mit digitaler Infrastruktur.

WirtschaftsquizHinsichtlich der Fortbildungszufriedenheit ziehen mehr als 80 % der Befragten ein positives Fazit über ihrer jüngsten Fortbildungen. Vor allem das Kennlernen von aktuellen Anwendungsbeispielen, der Erhalt von neuen Anregungen und Inputs mit passendem Begleit-Material für den Wirtschaftsunterricht und der Austausch mit anderen Lehrpersonen wurden als Positivfaktoren genannt. Am häufigsten kritisiert wurden indes eine geringe Praxisorientierung, die mangelnde Aktualität der Themen und die zeitlich/inhaltlich starren Strukturen von Fortbildungsveranstaltungen. Angesichts der artikulierten Fortbildungsbedarfe und der breiten Fortbildungszufriedenheit überraschte die insgesamt geringe Teilnahme an Fortbildungen unter den befragten Lehrpersonen. Über 40 % der Stichprobe gaben an, in den letzten beiden Jahren keine Fortbildung in der ökonomischen Bildung besucht zu haben. Problematisch beim Zugang zu Fortbildungsveranstaltungen scheint besonders die Auffindbarkeit von Angeboten und die Passung mit Bedarfslagen und Themenwünschen.

Onlinefortbildung zu digitalen Methoden

Auf Basis dieser Befragungsergebnisse wurden zentrale Gestaltungsanforderungen für Formate in der ökonomischen Bildung identifiziert und eine entsprechende Fortbildung konzipiert und angeboten. Unter dem Titel: #Ökonomische Bildung – Wirtschaft Lehren und Lernen digital?! wurden ausgewählte digitale Lehr-Lern-Methoden der ökonomischen Bildung vorgestellt und in ihre Funktionsweise und Anwendung eingeführt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten Gelegenheit, die jeweiligen Tools zu erproben und im gemeinsamen Austausch, Anwendungserfahrungen sowie Probleme und Einsatzvorbehalte zu reflektieren. Von besonderer Bedeutung war in diesem Zusammenhang der direkte Lehrplanbezug und die Einbettung der vorgestellten Materialien und Tools in konkrete Lehr-Lernszenarios der realen und digitalen Unterrichtspraxis. Die teilnehmenden Lehrpersonen sollten so befähigt werden, einzelne Methoden, Tools oder Materialien in ihrem Fachunterricht einzusetzen sowie eigene themenbezogene Unterrichtsideen unter Einbeziehung digitaler Materialien zu entwickeln.

FischerspielAus dem Angebot von Teach Economy wurden in der Fortbildung das Wirtschaftsquiz und das Fischerspiel vorgestellt. Das Wirtschaftsquiz ist ein browserbasiertes, kollaboratives Onlinespiel, bei dem Schülerinnen und Schüler ihr Wirtschaftswissen testen. Lehrpersonen können dabei vorgefertigte Fragensets zu jeder Unterrichtseinheit nutzen, aber auch eigene Quizze zusammenstellen. Beim Fischerspiel handelt es sich um eine interaktive Simulation, die am Beispiel eines Fischbestands die Problematik der Ausbeutung gemeinschaftlich genutzter Ressourcen („Tragik der Allmende“) veranschaulicht. Die Schülerinnen und Schüler lernen im Rahmen des Spiels, mit welchen Mitteln dieser Problematik entgegengewirkt werden kann und mit welchen Schwierigkeiten die Durchsetzung dieser Maßnahmen verbunden ist. Vor allem das Fischerspiel fand seitens der teilnehmenden Lehrpersonen viel Zuspruch, da es das Spannungsverhältnis von Ökonomie und Ökologie in einem attraktiven, digitalen Setting erlebbar macht und dabei zahlreiche Diskussionsimpulse liefert. Beim Wirtschaftsquiz überzeugte das bereits reichhaltige Frageninventar, wobei die Lehrpersonen begrüßten, zukünftig auch eigene - auf ihre spezifischen Unterrichtsbedarfe abgestimmte - Fragensets einbinden zu können. Das Feature soll ab Herbst 2020 verfügbar sein.

Ergänzend zur Veranstaltung wurde ein Padlet (digitale Pinnwand) erarbeitet, das wichtige Links zu Materialien, Werkzeugen und wissenswerten Informationen zusammenführt. Eine solche Toolbox ermöglicht eine zeit- und ortsunabhängige Fortsetzung der Qualifikation im Selbstlernprozess. Die Nutzerinnen und Nutzer haben damit die Möglichkeit selbst entwickelte Materialien zu teilen sowie sich im Sinne einer fortlaufenden Reflexion zu Erfahrungen, Problemen, Fragen etc. auszutauschen. (Link zum Padlet: https://padlet.com/hochmuthjoerg/jsd58r2aoc2vdfqi)

Sind Onlinefortbildungen ein adäquater Ersatz für Präsenzveranstaltungen?

Im Rückblick auf die beiden online durchgeführten Fortbildungsveranstaltungen lässt sich feststellen, dass eine Fortbildung zum digitalen Lehren und Lernen gerade in einem digitalen Setting für Teilnehmende und Veranstalter gleichermaßen Vorteile bietet. Zum einen können die Tools so vorgestellt und erprobt werden, dass sie später sowohl im Kontext des digitalen Fernunterrichts aber eben auch im Präsenzunterricht eingesetzt werden können. Zum anderen erleben die Teilnehmenden den Medieneinsatz aus Sicht der Schülerinnen und Schüler und gleichzeitig die Anwenderperspektive. So ist ein technisches Troubleshooting und das Eingehen auf Anwendungsunsicherheiten unmittelbar am Beispiel und im digitalen Kontext möglich. Auch der fachliche Austausch und die gemeinsame Reflektion ist durch simultane Kommunikationsmöglichkeiten in modernen Onlinekonferenzsystemen bisweilen intensiver. Teilnehmende können sich via Chat untereinander und mit den Moderatoren austauschen, Bild- oder Linkbeiträge posten und sich natürlich auch zu Wort melden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine gut strukturierte Leitung und eingespielte Moderation (am besten im Tandem), um die technischen Abläufe und Teilnehmerbeiträge zu steuern und gleichzeitig den Veranstaltungsablauf informativ voranzutreiben. Eine persönliche Begrüßung der einzelnen Teilnehmer zu Beginn und ein hoher Aktivierungsgrad durch direkte Einbindung in Erprobungs- und Diskussionsphasen kann zudem die Hemmnisse zur Beteiligung in digitalen Settings deutlich reduzieren.

Synchrone Onlinefortbildungen können aufgrund der genannten Vorteile also durchaus als adäquate Alternative zu Präsenzveranstaltungen gelten. Letztere bieten jedoch Raum und Zeit für Formen des informellen Austausches, ermöglichen längere Formate und bieten ein ggf. breiteres Repertoire an methodisch-didaktischen Möglichkeiten. Die Verbindung von orts- und zeitunabhängigen digitalen Lernformen und Präsenzphasen in sogenannten „blended learning“-Formaten erscheint daher als ein besonders geeignetes Konzept – und das nicht nur für zukünftige Fortbildungsveranstaltungen, sondern auch in Hinblick auf schulischen Unterricht.

In einem zweiten Forschungsansatz des ELF-Projektes, einer qualitativen Interviewstudie mit 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, soll u. a. erörtert werden, wie die Lehrpersonen die themenbezogene Onlinefortbildung wahrgenommen haben und wie sich hierdurch ihr Umgang mit digitalen Medien verändert hat. Mit ersten Ergebnissen der qualitativen Studie ist Ende 2020 zu rechnen. Selbstverständlich berichten wir hierzu wieder zeitnah im Teach Economy Newsletter.