Zurück

Digitalisierung der Arbeitswelt: Nehmen uns Roboter die Jobs weg?

Der Gedanke an eine Welt, in der Roboter die Herrschaft über die Menschheit übernehmen, ist ein beliebtes Motiv in Hollywood-Blockbustern. Doch wie realistisch ist diese düstere Zukunftsvision wirklich? Die Ängste vor Jobverlust aufgrund der digitalen Revolution sind allgegenwärtig, doch die Wirklichkeit präsentiert sich in vielschichtigen Facetten. Dr. Katharina Grienberger beleuchtet in ihrem Artikel die feinen Nuancen dieses Themas.

Berufliche Tätigkeiten, bei denen der Mensch bisher als nicht ersetzbar galt, können heute von Computern und computergesteuerten Maschinen erledigt werden. Deswegen wird oftmals befürchtet, dass digitale Technologien oder Roboter uns die Jobs wegnehmen könnten. Aber ganz so einfach ist es nicht. Berufe werden nicht verschwinden, sie werden sich vor allem verändern. Es kommen neue Tätigkeiten hinzu, besonders in den Bereichen, wo neue Technologien zum Einsatz kommen. Des Weiteren fallen manche Tätigkeiten weg, andere werden weiterhin von Menschen erledigt, selbst wenn sie automatisierbar sind. Denn ob ein Beruf tatsächlich automatisiert wird, hängt von vielen Faktoren ab. Wenn menschliche Arbeit wirtschaftlicher, flexibler oder von besserer Qualität ist, wird eher nicht automatisiert. Aber auch rechtliche oder ethische Hürden können einer Automatisierung entgegenstehen. Nicht alles, was technologisch substituiert werden kann, darf auch substituiert werden. Um zu bestimmen, inwiefern Berufe bereits heute durch Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzbar sind, hat sich in der Fachwelt der Begriff „Substituierbarkeitspotenzial“ eingebürgert. Zusammen mit Britta Matthes habe ich seit 2013 diese Substituierbarkeitspotenziale berechnet. Es gibt an, in welchem Ausmaß Berufe gegenwärtig durch den Einsatz von Computern oder computergesteuerten Maschinen ersetzbar sind. Es entspricht dem Anteil an Tätigkeiten in einem Beruf, die schon heute durch den Einsatz moderner Technologien übernommen werden könnten.

Berufe sind sehr unterschiedlich betroffen

Die Ergebnisse zeigen, dass man sich die einzelnen Berufe genau ansehen muss, um konkrete Aussagen darüber treffen zu können, wie stark ein Beruf mit technologischen Neuerungen konfrontiert ist. Deshalb wurde der IAB-Job-Futuromat entwickelt, ein Online-Tool, das darüber informiert, wie hoch das Substituierbarkeitspotenzial in den ca. 4.000 in Deutschland bekannten Berufen ist. Er zeigt, wie stark automatisierbar der jeweils gewünschte beziehungsweise ausgeübte Beruf sein könnte. So kann man beispielsweise feststellen, dass die Tätigkeiten von Busfahrer:innen, Friseur:innen, Erzieher:innen oder auch Ärzt:innen im Jahr 2019 nicht durch digitale Technologien ersetzbar sind, während aber die Tätigkeiten von Kassierer:innen, Steuerfachangestellten, Aufbereitungsmechaniker:innen oder auch Korrektor:innen ein Substituierbarkeitspotenzial von 100 Prozent aufweisen – d. h., alle Tätigkeiten in diesen Berufen könnten von Computern übernommen werden. Allerdings sollte die Automatisierbarkeit allein nicht das ausschlaggebende Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen einen Beruf sein. Eine hohe Automatisierbarkeit ist kein Anzeichen dafür, dass der Beruf bald nicht mehr existiert. Sie signalisiert lediglich, dass im Beruf eine Reihe digitaler Technologien zum Einsatz kommen könnten. Diese Technologien verändern gegebenenfalls die berufstypischen Tätigkeiten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Bildung auszahlt. Je höher das Anforderungsniveau im Beruf ist, desto geringer ist der Anteil der potenziell substituierbaren Tätigkeiten (siehe Abbildung 1). Allerdings weisen Helferberufe, für die typischerweise keine berufliche Ausbildung erforderlich ist, ein etwa gleich hohes Substituierbarkeitspotenzial mit etwa 60 Prozent wie Fachkraftberufe auf, für die in der Regel eine mindestens zweijährige Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen werden muss. Sollte eine berufliche Ausbildung nicht grundsätzlich besser gegen eine Substitution durch Computer schützen als eine unqualifizierte Helfertätigkeit? In manchen Berufen sind Tätigkeiten, die von Fachkräften erledigt werden, leichter zu automatisieren als Helfertätigkeiten in diesem Beruf. Helfer übernehmen häufig manuelle Tätigkeiten, die nur schwer in programmierbare Algorithmen übersetzt werden können. Erst eine weiterführende oder akademische Ausbildung schützt etwas besser davor, durch Computer potenziell ersetzt werden zu können. Das Substituierbarkeitspotenzial in den Spezialistenberufen – für die in Deutschland typischerweise eine Meister- oder Technikerausbildung oder auch ein weiterführender Fachschul- oder Bachelorabschluss Zugangsvoraussetzung ist – beträgt nur noch 45 Prozent. Noch niedriger, bei rund 26 Prozent, liegt das Substituierbarkeitspotenzial in den Expertenberufen, für die in der Regel ein mindestens vierjähriges abgeschlossenes (Fach-)Hochschulstudium erforderlich ist.

Abbildung 1: Substituierbarkeitspotenzial nach Anforderungsniveau für das Jahr 2019 (in Prozent)

Substituierbarkeit Anforderungsniveau

Quelle: Dengler/Matthes 2021

Verschiedene berufliche Teilarbeitsmärkte sind zudem sehr unterschiedlich von der Digitalisierung betroffen (Abbildung 2). Die höchsten Substituierbarkeitspotenziale sind in den Fertigungsberufen zu finden. Durchschnittlich könnten hier fast 84 Prozent der Tätigkeiten automatisiert werden. Dabei handelt es sich vor allem um Berufe, in denen Rohstoffe gewonnen und Produkte aus Materialien wie Glas, Kunststoff usw. hergestellt werden. Das niedrigste Substituierbarkeitspotenzial findet man in den sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen. Hier könnten durchschnittlich nur 13 Prozent der Tätigkeiten von Computern und computergesteuerten Maschinen übernommen werden. Dies überrascht aber wenig, da Tätigkeiten wie Kinder erziehen oder unterrichten, aber auch kreative Tätigkeiten bislang nur schwer von Computern oder computergesteuerten Maschinen erledigt werden können.

Abbildung 2: Substituierbarkeitspotenzial nach Berufssegmenten für das Jahr 2019 (in Prozent)

Substituierbarkeit Berufssegmente

Quelle: Dengler/Matthes 2021

Fazit

Befürchtungen vor einem massiven Beschäftigungsabbau im Zuge der Digitalisierung sind derzeit unbegründet. Herausforderungen bestehen nicht im Arbeitsplatzabbau, sondern in der sich stark verändernden Branchen- und Berufsstruktur. Insofern besteht die wichtigste zukünftige Herausforderung im Zuge der Digitalisierung in der Bildung bzw. Weiterbildung.. Lebenslanges Lernen muss zu einer selbstverständlichen und dauerhaften Investition werden. Auf den ersten Blick liegt es dabei nahe, vor allem digitale Inhalte zu stärken. Da sich aber durch die Digitalisierung auch die Art und Weise des Arbeitens verändert wie z. B. in virtuellen Teams, werden zunehmend auch soziale Kompetenzen wie Kommunikationsstärke oder Empathie und fachübergreifende Kompetenzen wichtig. Entscheidend ist, dass junge Leute bei der Berufswahl entsprechend ihrer Interessen und Stärken handeln. Es wäre nicht ratsam, einen Beruf nur deshalb nicht zu ergreifen, weil in diesem Beruf einige Tätigkeiten durch Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzt werden könnten. Diese Berufe wird es ja weiterhin geben, vielleicht dann eben mit veränderten Tätigkeiten und Anforderungen. Die Berufswahl ist nur ein erster Schritt, der einen Möglichkeitsraum eröffnet. Denn die Wege sind für die kommenden Berufsgenerationen viel offener. So könnte es z. B. leichter werden, den Beruf zu wechseln, es könnten sich mehr Weiterentwicklungsmöglichkeiten ergeben und die Querverbindungen zwischen den Berufen zunehmen.

Weiterführende Links: http://job-futuromat.iab.de/

Tipp

Material des Monats: Digitalisierung und Arbeitswelt – Was sich für uns ändert

Alle Artikel aus der Rubrik "Aktuelles" im Überblick