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Gamification im (Wirtschafts-)Unterricht

Spielend die Welt erfassen? Spielbasiertes Lernen ist keine Erfindung des Digitalzeitalters, doch eröffnen Computer, Tablets und Smartphones Lernszenarien, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. Geschickt in den Unterricht integriert bieten sie ein hohes Motivationspotential für Schülerinnen und Schüler und können darüber hinaus auch die Lehrkraft entlasten. Warum Gamification für den Unterricht lohnenswert ist, erläutert Thomas Rudel.

Begriffsbestimmung
Unter „Gamification“ versteht man im schulischen Kontext den Einsatz spielerischer Elemente im Unterricht, um motivierend Wissen zu vermitteln oder den Kompetenzerwerb bei den Schülerinnen und Schülern anzuregen. Für Lehrende aller Schulstufen ist das an und für sich nichts Neues, denn schon seit dem Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts haben Lernspiele die Klassenzimmer erobert. Mit dem Einzug digitaler Endgeräte wird das Thema im Kontext des mediengestützten Unterrichts wieder häufiger und mitunter auch kontroverser diskutiert, da gerade Computerspiele bei Eltern und Pädagogen vielfach keinen allzu guten Ruf genießen.

Lebensweltbezug
Spielen macht Spaß, nicht nur Kindern und Jugendlichen. Aber besonders für diese gehören Computer- und Smartphone-Spiele selbstverständlich zu ihrem Alltag, laut der JIM-Studie 2017 beschäftigen sich fast zwei Drittel der befragten 12- bis 19-Jährigen täglich oder zumindest mehrmals pro Woche mit digitalen Spielen. Wenn es gelingt, die Faszination, die von diesen ausgeht, ins Klassenzimmer zu holen, lassen sich motivierende Lernszenarien gestalten, die unmittelbar an die Lebenswelt und den Erfahrungshorizont der Schülerinnen und Schüler anknüpfen.

Quizzifizierung statt Kompetenzvermittlung?
So verwundert es nicht, dass der grundsätzliche Wert von spielerischen Lernarrangements im Unterricht aktuell nur noch selten infrage gestellt wird. Kommen dabei aber Computer oder Smartphones zum Einsatz, reagieren viele Lehrkräfte eher verhalten – zu wenig zielführend erscheint dann die Nutzung digitaler Technik, zu groß die möglichen negativen Auswirkungen auf die Heranwachsenden. Kritische Stimmen befürchten die Begünstigung von Suchtverhalten oder Konzentrationsschwierigkeiten durch die audiovisuellen Reize, die dem Lernen eher abträglich sind. Nicht wenige Nutzungsordnungen von schulischen Computerräumen verbieten daher das Spielen an den Bildschirmen explizit – auch wenn wissenschaftliche Studien diese Befürchtungen nicht bestätigen können. Nicht ganz unbegründet hingegen erscheint die Warnung vor einer Quizzifizierung des Unterrichts: Wenn digitale Endgeräte nur dazu eingesetzt werden, simples Informationswissen abzufragen, werden die Schülerinnen und Schüler darauf getrimmt, aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten die richtige auszuwählen oder notfalls zu erraten. Selbständiges Denken und das Entwickeln von überzeugenden Lösungsansätzen für komplexe Problemstellungen können aber nur dann gefördert werden, wenn Quizze – wie andere Spielformen auch – in sinnvolle kompetenzorientierte Lernarrangements eingebettet werden.

Der Einsatz von Simulationen im Wirtschaftsunterricht
Komplexere Spielszenarien wie Wirtschaftssimulationen genießen diesbezüglich einen besseren Ruf, scheinen dafür aber häufig zu zeitaufwändig zu sein, um sie in den Regelunterricht zu integrieren – so werden sie dann allenfalls als Option für Projekttage wahrgenommen. Zu Unrecht, denn gerade hier spielt die digitale Technik ihre Stärken aus – sie kann Spielentscheidungen ohne Zeitverzögerung auswerten und den Lernenden ein unmittelbares Feedback geben. Auch das mehrmalige Durchspielen gleichartiger Szenarien ist problemlos möglich, sodass die von den Lernenden entworfenen Handlungsstrategien zügig überprüft und im Anschluss reflektiert werden können. Das vorliegende Fischerspiel oder auch die Simulation Isle of Economy sind dafür überzeugende Beispiele.

Das Fischerspiel
Das Fischerspiel ist eine Form des Entscheidungsspiels, bei dem die Schülerinnen und Schüler durch das eigene Handeln die „Tragik der Allmende“ erfassen können. Sie verstehen, dass das eigene ökonomisch rationale Verhalten nicht zwingend auch für die Gemeinschaft vorteilhaft sein muss und erkennen, wie schwierig es ist, gemeinsam Lösungen zu entwickeln und nachhaltiges Verhalten in der Gruppe durchzusetzen. Die Simulation lässt sich auch gänzlich ohne den Einsatz digitaler Technik durchführen, doch liegen die Vorteile des Medieneinsatzes hier auf der Hand: er verkürzt die Vorbereitungszeit für die Lehrkraft und die Wartezeiten bei der Durchführung des Spiels, da die Spielentscheidungen nicht händisch ausgewertet werden müssen. Dabei bleibt die Technik im Hintergrund und lenkt nicht vom eigentlichen Spielgeschehen ab. Gleichwohl wird die Nutzung des eigenen Smartphones im Unterricht von vielen Heranwachsenden als besonders motivierend empfunden.

Fazit
Die Gamifizierung stellt eine interessante Erweiterung des Handlungsrepertoires von Lehrkräften dar, die darüber hinaus auch von vielen Schülerinnen und Schülern geschätzt wird. Der unterrichtliche Erfolg hängt dabei von einem wohlüberlegten Medieneinsatz und einem stimmigen Spielszenario ab, bei der die Technik nicht Selbstzweck ist, sondern den Kompetenzerwerb sinnvoll unterstützt. Gut geplant lassen sich digitale Spielumgebungen im „normalen“ Regelunterricht und sogar in einzelnen Unterrichtssequenzen einsetzen, sofern die benötigte Technik verlässlich zur Verfügung steht. Nebenbei erfahren die Schülerinnen und Schüler durch den Einsatz von Serious Games, wie sich die Medien, die sie aus ihrem Alltag kennen und häufig zum Zeitvertreib einsetzen, auch zielführend und gewinnbringend nutzen lassen. Damit leistet das Game-based Learning einen wichtigen Beitrag zur Medienbildung der Heranwachsenden.
 

Über den Autor
Thomas Rudel ist Oberstudienrat am Uhlandgymnasium Tübingen und Leiter des dortigen kommunalen Medienzentrums. Er ist Fortbildner und Co-Autor verschiedener Unterrichtswerke und engagiert sich im Landesarbeitskreis Medien Baden-Württemberg sowie dem Bundesarbeitskreis der kommunalen Medienzentrenleitenden.

 

Tipp

Material des Monats: Markt und Umwelt – Ökonomie versus Ökologie
Digitales Zusatzmaterial: Fischerspiel
 

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